I. Einführung
Der Ausdruck ,,Globalisierung" wird sehr emotional verwendet. Einige betrachten
sie
als einen Prozess, der positiv -- ein Schlüssel für die zukünftige
Entwicklung
der Weltwirtschaft -- und außerdem unvermeidbar und unumkehrbar ist. Andere
betrachten
sie mit Argwohn oder sogar Angst, da sie glauben, dass sie die Ungleichheit innerhalb der
Länder und zwischen den Ländern vergrößert, die
Beschäftigung
und den Lebensstandard bedroht und den sozialen Fortschritt verhindert. Diese
Diskussionsunterlage bietet einen Überblick über einige Aspekte der
Globalisierung
und zielt darauf ab, Wege aufzuzeigen, durch die die Länder an den Vorteilen dieses
Prozesses teilhaben können und gleichzeitig realistisch bleiben in Bezug auf seine
Möglichkeiten und Risiken.
Die Globalisierung bietet große Möglichkeiten für eine wirklich
weltweite
Entwicklung, sie verläuft jedoch nicht gleichmäßig. Einige Länder
integrieren sich schneller in die Weltwirtschaft als andere. Die Länder, denen es
gelungen
ist, sich zu integrieren, weisen ein schnelleres Wachstum und eine niedrigere Armut auf. Nach
außen gerichtete Politiken haben Dynamik und größeren Wohlstand
für
einen großen Teil Ostasiens gebracht, einer Region, die vor 40 Jahren zu den
ärmsten
der Welt gehörte. Mit steigendem Lebensstandard wurde es auch möglich,
Fortschritte bei der Demokratie und wirtschaftlichen Fragen wie Umwelt und Arbeitsnormen
zu
erzielen.
In vielen Ländern Lateinamerikas und Afrikas, die sich in den 70er und 80er Jahren
abschotteten, stagnierte dagegen das Wachstum oder war rückläufig, nahm die
Armut
zu und wurde eine hohe Inflation die Norm. In vielen Fällen, insbesondere in Afrika,
wurden die Probleme durch ungünstige externe Entwicklungen noch verschlimmert. Als
diese Regionen ihre Politiken änderten, begann ihr Einkommen zu steigen. Eine
weitreichende Umwandlung findet statt. Die Förderung dieser Entwicklung -- und nicht
ihre
Umkehr -- ist der beste Weg zur Stärkung von Wachstum, Entwicklung und
Armutsverringerung.
Die Krisen in den aufstrebenden Marktwirtschaften in den 90er Jahren haben eindeutig
gezeigt, dass die Chancen der Globalisierung nicht ohne Risiken sind -- Risiken, die sich aus
volatilen Kapitalströmen ergeben und die Risiken sozialen, wirtschaftlichen und
ökologischen Zerfalls, der durch Armut verursacht wird. Dies ist jedoch kein Grund,
eine
neue Richtung einzuschlagen, sondern es bedeutet vielmehr für alle Beteiligten -- in den
Entwicklungsländern, in den fortgeschrittenen Ländern und natürlich
für
die Investoren -- ihre Vorgehensweise zu ändern, um starke Volkswirtschaften und ein
stärkeres Weltfinanzsystem zu schaffen, das zu schnellerem Wachstum führt und
gewährleistet, dass die Armut verringert wird.
Wie kann man den Entwicklungsländern, insbesondere den ärmsten, dabei
helfen
aufzuholen? Verschärft die Globalisierung die Ungleichheit oder kann sie dazu
beitragen,
die Armut zu verringern? Und sind Länder, die sich in die Weltwirtschaft integrieren,
zwangsläufig anfällig für Instabilität? Das sind einige der Fragen, die
in
den folgenden Abschnitten behandelt werden.
II. Was ist Globalisierung?
Wirtschaftliche ,,Globalisierung" ist ein historischer Prozess, das Ergebnis
menschlicher
Innovation und technologischen Fortschritts. Sie bezieht sich auf die steigende Integration der
Volkswirtschaften auf der ganzen Welt, insbesondere durch Handel und Finanzströme.
Der
Ausdruck bezieht sich manchmal auch auf die Bewegung von Menschen
(Arbeitskräften)
und Wissen (Technologie) über internationale Grenzen hinweg. Es gibt auch breitere
kulturelle, politische und ökologische Dimensionen der Globalisierung, die hier nicht
erfasst
werden.
Im Grunde genommen gibt es nichts Geheimnisvolles bei der Globalisierung. Der
Ausdruck
wird seit den 80er Jahren allgemein verwendet und ist Ausdruck der technologischen
Fortschritte,
die internationale Transaktionen leichter und schneller machen -- sowohl im Handel als auch
bei
den Finanzströmen. Er bezieht sich auf eine Ausweitung der gleichen
Marktkräfte,
die seit Jahrhunderten auf allen Ebenen der menschlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten
wirken -- Dorfmärkte, städtische Industrien oder Finanzzentren -- über die
nationalen Grenzen hinaus.
Die Märkte stärken die Effizienz durch Wettbewerb und Arbeitsteilung -- die
Spezialisierung, die es Menschen und Volkswirtschaften erlaubt, sich darauf zu konzentrieren,
was sie am besten können. Weltmärkte bieten den Menschen größere
Möglichkeiten, mehr und größere Märkte auf der ganzen Welt zu
nutzen.
Das bedeutet, dass sie Zugang zu mehr Kapitalströmen, Technologie, billigeren
Einfuhren
und größeren Exportmärkten haben. Die Märkte stellen jedoch nicht
automatisch sicher, dass alle an den Vorteilen einer steigenden Effizienz teilhaben. Die
Länder müssen dazu bereit sein, die erforderlichen Politiken zu verfolgen, und die
ärmsten Länder benötigen manchmal die Unterstützung der
Völkergemeinschaft bei diesen Bemühungen.
III. Einzigartiges Wachstum, zunehmende
Ungleichheit:
Einkommenstrends im 20. Jahrhundert
Die Globalisierung ist keineswegs ein junges Phänomen. Einige Analytiker
argumentieren, dass die Weltwirtschaft vor 100 Jahren genauso globalisiert war wie heute.
Heute
sind Handel und Finanzdienstleistungen jedoch viel weiter entwickelt und tiefer integriert als
zur
damaligen Zeit. Der auffallendste Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Integration der
Finanzmärkte, die durch moderne elektronische Kommunikation ermöglicht
wurde.
Das 20. Jahrhundert ist gekennzeichnet von einem einzigartigen Wirtschaftswachstum,
durch
das sich das weltweite Pro-Kopf-BIP fast verfünffacht hat. Dieses Wachstum war
jedoch
nicht beständig -- die stärkste Expansion erfolgte in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts, einer Zeit mit einer raschen Zunahme des Handels, die mit einer Liberalisierung
einherging -- zuerst für den Handel und normalerweise etwas später für den
Finanzsektor. Abbildung 1a untergliedert das Jahrhundert in vier Zeiträume.1 In der Zeit zwischen den Kriegen wandte sich die Welt vom
Internationalismus -- oder der Globalisierung wie wir es heute nennen -- ab, und die
Länder
zogen sich in geschlossene Volkswirtschaften, Protektionismus und weitreichende
Kapitalkontrollen zurück. Dies war ein wichtiger Faktor für die vernichtende
Bilanz
in diesem Zeitraum, als das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens von 1913-1950 auf unter
ein
Prozent sank. Im übrigen Zeitraum des Jahrhunderts lag das Wachstum des
Pro-Kopf-Einkommens bei über zwei Prozent, obwohl die Bevölkerung so
schnell
wuchs wie noch nie zuvor, wobei die schnellste Steigerung während des
Nachkriegsbooms
in den Industriestaaten zu verzeichnen war.
Die Geschichte des 20. Jahrhunderts weist ein bemerkenswertes Wachstum des
Durchschnittseinkommens auf, es ist jedoch ebenfalls recht offensichtlich, dass der Fortschritt
nicht gleichmäßig verteilt war. Die Kluft zwischen reichen und armen
Ländern
sowie zwischen Reichen und Armen innerhalb der Länder ist größer
geworden.
Während sich das Pro-Kopf-BIP bei dem reichsten Viertel der Weltbevölkerung
im
Laufe dieses Jahrhunderts fast versechsfacht hat, hat es sich bei dem ärmsten Viertel
noch
nicht einmal verdreifacht (Schaubild 1b). Die Einkommensungleichheit hat eindeutig
zugenommen. Wie weiter unten erläutert, zeigt das Pro-Kopf-BIP jedoch nicht das
ganze
Bild (siehe Abschnitt IV).
IV. Entwicklungsländer: Wie weit sind sie
integriert?
Globalisierung bedeutet, dass der Welthandel und die Finanzmärkte stärker
integriert werden. Wie stark haben sich aber die Entwicklungsländer an dieser
Integration
beteiligt? Ihre Erfahrungen beim Aufholen gegenüber den fortgeschrittenen
Volkswirtschaften sind gemischt. Schaubild 2a zeigt, dass sich das Pro-Kopf-Einkommen in
einigen Ländern, insbesondere in Asien, seit 1970 rasch auf das Niveau der
Industrieländer zubewegt hat. Eine größere Anzahl von
Entwicklungsländern hat nur geringe Fortschritte erzielt oder ist sogar
zurückgefallen. Das Pro-Kopf-Einkommen ist insbesondere in Afrika im Vergleich zu
den
Industriestaaten zurückgegangen, und in einigen Ländern ist es sogar absolut
gesunken. Schaubild 2b verdeutlicht einen Teil der Erklärung: bei den Ländern,
die
aufholen, handelt es sich um Länder, in denen der Handel stark zugenommen hat.
Die folgenden vier Aspekte der Globalisierung sind hervorzuheben:
Handel: Die Entwicklungsländer als Ganzes haben ihren Anteil am
Welthandel von 19 % 1971 auf 29 % 1999 erhöht. Schaubild 2b zeigt jedoch
große
Unterschiede zwischen den wichtigsten Regionen. So haben zum Beispiel die
Schwellenländer in Asien Erfolge aufzuweisen, während es Afrika als Ganzes
schlecht ergangen ist. Die Zusammensetzung der Exporte der Länder ist ebenfalls
wichtig.
Die bei weitem größte Steigerung ist in der Ausfuhr von Fertigungsgütern
zu
verzeichnen. Der Anteil der Primärgüter -- wie Nahrungsmittel und Rohstoffe --
die
häufig von den ärmsten Ländern produziert werden, am Welthandel hat
abgenommen.
- Kapitalbewegungen: Schaubild 3 verdeutlicht, was viele Menschen mit
der
Globalisierung verbinden, nämlich eine große Zunahme der privaten
Kapitalströme in die Entwicklungsländer während eines großen Teils
der
90er Jahre. Sie zeigt außerdem, dass (a) die Zunahme auf eine besonders
,,trockene"
Periode in den 80er Jahren folgte; (b) der Nettostrom an öffentlicher
,,Unterstützung" oder Entwicklungshilfe seit Anfang der 80er Jahre
beträchtlich gesunken ist und (c) die Zusammensetzung der privaten Ströme sich
dramatisch verändert hat. Ausländische Direktinvestitionen sind zur wichtigsten
Kategorie geworden. Sowohl Portfolioinvestitionen als auch Bankkredite haben zugenommen,
sie
schwankten jedoch mehr und fielen stark im Anschluss an die Finanzkrisen Ende der 90er
Jahre.
- Bewegung von Personen: Arbeitnehmer ziehen unter anderem von einem
Land
in ein anderes, um bessere Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden. Die
betroffenen
Zahlen sind immer noch relativ niedrig, im Zeitraum 1965-90 ist weltweit der Anteil der
Arbeitskräfte, die in einem anderen Land geboren wurden, um ungefähr die
Hälfte gestiegen. Der größte Teil der Migration erfolgt zwischen
Entwicklungsländern. Der Strom der Wanderarbeitnehmer in die fortgeschrittenen
Volkswirtschaften wird aber voraussichtlich dazu führen, dass die Löhne weltweit
einander angenähert werden. Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass
Fachkenntnisse in die Entwicklungsländer zurück transferiert werden und dass die
Löhne in diesen Ländern steigen.
- Verbreitung von Wissen (und Technologie): Der Informationsaustausch ist
ein
wesentlicher und häufig übersehener Aspekt der Globalisierung. So führen
ausländische Direktinvestitionen nicht nur zu einem Wachstum des materiellen
Kapitalstocks, sondern auch zu technischer Innovation. Im allgemeinen steht Wissen
über
die Produktionsmethoden, Managementtechniken, Exportmärkte und
Wirtschaftspolitiken
zu sehr niedrigen Kosten zur Verfügung und stellt eine sehr wertvolle Ressource
für
die Entwicklungsländer dar.
Der Sonderfall der Volkswirtschaften, die sich im Übergang von der Planwirtschaft
zur
Marktwirtschaft befinden, -- auch sie integrieren sich stärker in die Weltwirtschaft --
wird
hier nicht eingehend untersucht. Der Ausdruck ,,Übergangsland" verliert seinen
Sinn.
Einige Länder (z.B. Polen und Ungarn) nähern sich recht schnell der Struktur und
der
Leistung der fortgeschrittenen Länder an. Andere (wie die meisten Länder der
ehemaligen Sowjetunion) stehen vor langfristigen strukturellen und institutionellen Problemen,
die
denen der Entwicklungsländer ähnlich sind.
1 Ohne Öl exportierende Länder
2 Im Wesentlichen Bankkredite
V. Vergrößert die Globalisierung Armut
und
Ungleichheit?
Im Laufe des 20. Jahrhunderts ist das weltweite durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen
stark
gestiegen, wobei jedoch große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern
festzustellen waren. Es ist klar, dass sich das Einkommensgefälle zwischen reichen und
armen Ländern viele Jahrzehnte lang vergrößert hat. Im jüngsten
World
Economic Outlook (Weltwirtschaftsausblick) werden 42 Länder untersucht (die fast 90
%
der Weltbevölkerung darstellen), für die für das gesamte 20. Jahrhundert
Daten
vorliegen. Er kommt dabei zu der Schlussfolgerung, dass die Pro-Kopf-Produktion
spürbar
gestiegen ist, aber dass die Einkommensverteilung zwischen den Ländern ungleicher
geworden ist als zu Beginn des Jahrhunderts.
Die Einkommen stellen jedoch nicht das ganze Bild dar; breiter gefasste Messungen der
Wohlfahrt, die die sozialen Bedingungen berücksichtigen, zeigen, dass die armen
Länder beträchtliche Fortschritte erzielt haben. So haben einige
einkommensschwache Länder wie zum Beispiel Sri Lanka beachtliche soziale
Indikatoren.
Aus einem vor kurzem erstellten Dokument 2 geht
hervor,
dass das Bild, das entsteht, ganz anders ist, als die Einkommensdaten allein aufzeigen, wenn
die
Länder unter Verwendung der UN-Indikatoren der menschlichen Entwicklung (HDI),
die
Bildung und Lebenserwartung berücksichtigen, verglichen werden.
Es ist sogar möglich, dass das Gefälle kleiner geworden ist. Eine auffallende
Schlussfolgerung aus der Studie führt zu einem Phänomen, das man den
Gegensatz
zwischen einem ,,Einkommensgefälle" und einem ,,HDI-Gefälle"
nennen
könnte. Die (inflationsbereinigten) Einkommensniveaus der heutigen armen
Länder
sind immer noch weit unter dem Niveau der Länder der Spitzengruppe im Jahre 1870.
Und
das Einkommensgefälle ist gestiegen. Wenn man sie jedoch nach ihren HDIs bewertet,
sind
die heutigen armen Länder eindeutig besser gestellt als die Länder der
Spitzengruppe
im Jahre 1870. Dies ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die
medizinischen Fortschritte und ein verbesserter Lebensstandard zu einer deutlich
höheren
Lebenserwartung geführt haben.
Aber selbst wenn das HDI-Gefälle sich langfristig verringert, so fallen viel zu viele
Menschen zurück. Die Lebenserwartung mag sich erhöht haben, aber für
viele
hat sich die Lebensqualität nicht verbessert, weil viele immer noch in
erdrückender
Armut leben. Und die Ausweitung von AIDS in Afrika im letzten Jahrzehnt senkt die
Lebenserwartung in vielen Ländern.
Dadurch sind Politiken, die speziell darauf abzielen, die Armut zu verringern, erneut
dringlich
geworden. Länder mit großem Wachstum, die die richtigen Politiken verfolgen,
können davon ausgehen, dass die Armut nachhaltig verringert wird, da aus
jüngsten
Erkenntnissen hervorgeht, dass zwischen Wachstum und Armutsverringerung wenigstens eine
Beziehung von eins zu eins besteht. Und wenn entschlossene Politiken zu Gunsten der Armen
verfolgt werden -- zum Beispiel durch gezielte Sozialausgaben -- erhöht sich die
Wahrscheinlichkeit, dass das Wachstum zu einer schnelleren Armutsverringerung führt.
Dies ist einer der zwingenden Gründe, weshalb alle für die Wirtschaftspolitik
Verantwortlichen, einschließlich des IWF, das Ziel der Armutsverringerung
ausdrücklicher verfolgen sollten.
VI. Wie können die ärmsten
Länder
schneller aufholen?
Die Steigerung des Lebensstandards gründet sich auf die Akkumulierung von
Sachkapital (Investitionen) und Humankapital (Arbeit) sowie auf den technologischen
Fortschritt
(Wirtschaftswissenschaftler sprechen von der Gesamtfaktorproduktivität).3 Viele Faktoren können diese Prozesse fördern oder
behindern. Die Erfahrungen der Länder, die die Produktion am schnellsten gesteigert
haben,
zeigen wie wichtig es ist, Bedingungen zu schaffen, die einem langfristigen Wachstum des
Pro-Kopf-Einkommens förderlich sind. Wirtschaftliche Stabilität, der Aufbau von
Institutionen und Strukturreform sind wenigstens genauso wichtig für die langfristige
Entwicklung wie Finanztransfers, wie wichtig diese auch sein mögen. Es geht um das
Gesamtpaket an Politiken, Finanzhilfe und technischer Hilfe sowie, falls erforderlich,
Schuldenerleichterung.
Zu den Bestandteilen eines solchen Pakets gehören:
- Makroökonomische Stabilität zur Schaffung der für
Investitionen
und Sparen günstigen Bedingungen;
- Nach außen gerichtete Politiken zur Förderung der Effizienz durch
zunehmenden
Handel und Investitionen;
- Strukturreformen zur Förderung des Wettbewerbs im Inland;
- Starke Institutionen und effektive Regierungen zur Förderung einer integren
Regierungsführung;
- Bildung, Ausbildung sowie Forschung und Entwicklung zur Förderung der
Produktivität;
- Auslandsschulden-Management zur Sicherstellung angemessener Ressourcen für
eine
nachhaltige Entwicklung.
All diese Politiken sollten den Schwerpunkt auf von den Ländern mitgetragene
Strategien legen, um die Armut zu verringern, indem Politiken zu Gunsten der Armen
gefördert werden, die mit ausreichenden Haushaltsmitteln ausgestattet sind -- darunter
Gesundheit, Bildung und starke soziale Sicherheitsnetze. Ein partizipatorischer Ansatz,
einschließlich eines Dialogs mit der Zivilgesellschaft, wird die Erfolgsaussichten
beträchtlich verbessern.
Die fortgeschrittenen Volkswirtschaften können einen wichtigen Beitrag zu den
Anstrengungen der einkommensschwachen Länder leisten, um sie in die Weltwirtschaft
zu
integrieren.
- Durch die Förderung des Handels. Ein Vorschlag auf dem Tisch fordert
einen
uneingeschränkten Marktzugang für alle Exporte aus den ärmsten
Ländern. Dies sollte ihnen dabei helfen, von der Spezialisierung auf
Primärgüter zur Herstellung von verarbeiteten Gütern für den Export
überzugehen.
- Durch die Förderung der privaten Kapitalströme in die
einkommensschwachen Länder, insbesondere in der Form von ausländischen
Direktinvestitionen, mit den beiden Vorteilen beständiger Finanzströme und eines
Technologietransfers.
- Indem eine schnellere Schuldenerleichterung durch ein höheres Maß an
neuer Finanzhilfe ergänzt wird. Die öffentliche Entwicklungshilfe ist in den
fortgeschrittenen Ländern auf 0,24 % des BIP gesunken (1998) (im Vergleich
zum
UN-Ziel von 0,7 %). Michel Camdessus, ehemaliger Geschäftsführender Direktor
des
IWF, formulierte es folgendermaßen: ,,Die Ausrede einer
Entwicklungshilfe-Verdrossenheit
ist nicht glaubwürdig -- sie grenzt sogar an Zynismus -- in einer Zeit, in der die
fortgeschrittenen Länder im letzten Jahrzehnt die Möglichkeit hatten, von den
Vorteilen der Friedensdividende zu profitieren."
Der IWF unterstützt Reformen in den ärmsten Ländern durch seine
neue
Armutsreduzierungs- und Wachstumsfazilität. Er leistet einen Beitrag zur
Schuldenerleichterung durch die Initiative für die hochverschuldeten armen
Länder.4
VII. Aus der Sicht der fortgeschrittenen
Länder:
Schadet die Globalisierung den Interessen der Arbeitnehmer?
Ängste wegen der Globalisierung bestehen auch in den fortgeschrittenen
Volkswirtschaften. Wie real ist die empfundene Gefahr, dass der Wettbewerb aus den
,,Niedrigeinkommensländern" Arbeitnehmer aus gut bezahlten Stellen
verdrängt und die Nachfrage nach weniger ausgebildeten Arbeitnehmern verringert?
Sind
die Änderungen, die in diesen Volkswirtschaften und Gesellschaften stattfinden, das
direkte
Ergebnis der Globalisierung?
Die Volkswirtschaften entwickeln sich ständig weiter, und die Globalisierung ist ein
anhaltender Trend unter mehreren anderen. Ein solcher Trend besteht darin, dass die
Industrieländer das Reifestadium erreichen und dienstleistungsorientierter werden, um
die
sich ändernden Bedürfnisse ihrer Bevölkerung zu befriedigen. Ein weiterer
Trend besteht in der Verlagerung zu mehr hoch qualifizierten Arbeitsplätzen. Alle
Erkenntnisse weisen jedoch darauf hin, dass diese Änderungen auch ohne die
Globalisierung stattfinden würden -- wenn auch nicht unbedingt im gleichen Tempo. Die
Globalisierung erleichtert und verbilligt diesen Prozess für die Volkswirtschaft als
Ganzes,
indem sie die Vorteile der Kapitalströme, technologischer Innovationen und niedrigerer
Einfuhrpreise ermöglicht. Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und
Lebensstandards
sind höher als in einer geschlossenen Volkswirtschaft.
Die Vorteile sind jedoch normalerweise innerhalb der Länder ungleich zwischen den
Bevölkerungsgruppen verteilt, und es kann vorkommen, dass einige Gruppen
benachteiligt
werden. Es ist zum Beispiel möglich, dass Arbeitnehmer in alten, vom Niedergang
betroffenen Industriezweigen den Übergang zu neuen Wirtschaftszweigen nur mit
Schwierigkeiten bewältigen.
Worin besteht die richtige politische Antwort? Sollten die Regierungen versuchen,
bestimmte
Gruppen wie Arbeitnehmer mit niedrigem Lohn oder alte Industriezweige zu
beschützen,
indem sie den Handel oder die Kapitalströme beschränken? Ein solcher Ansatz
kann
einigen kurzfristig helfen, er geht letztendlich jedoch auf Kosten des Lebensstandards der
Gesamtbevölkerung. Die Regierungen sollten vielmehr Politiken verfolgen, die die
Integration in die Weltwirtschaft fördern und gleichzeitig Maßnahmen ergreifen,
um
denjenigen zu helfen, die durch den Wandel beeinträchtigt werden. Die
Gesamtwirtschaft
profitiert mehr von Politiken, die sich auf die Globalisierung stützen, indem sie eine
offene
Wirtschaft fördern und gleichzeitig entschlossen dafür Sorge tragen, dass alle an
den
Vorteilen teilhaben. Die Regierungspolitik sollte sich auf zwei wichtige Themenbereiche
konzentrieren:
- Bildung und Ausbildung, um dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitnehmer
die
Möglichkeit haben, in einer dynamischen, sich ändernden Volkswirtschaft die
erforderlichen Fähigkeiten zu erwerben und
- gezielte soziale Sicherheitsnetze, um Menschen zu unterstützen, die ihren
Arbeitsplatz verlieren.
VIII. Sind regelmäßige Krisen eine
zwangsläufige Folge der Globalisierung?
Die aufeinander folgenden Krisen in den 90er Jahren -- Mexiko, Thailand, Indonesien,
Korea,
Russland und Brasilien -- haben einige zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass Finanzkrisen
ein
direktes und unvermeidbares Ergebnis der Globalisierung sind. Eine Frage, die sich sowohl in
den
fortgeschrittenen als auch in den aufstrebenden Marktwirtschaften stellt, ist ob die
Globalisierung
den wirtschaftspolitischen Gestaltungsspielraum einschränkt (Kasten 1).
Kasten 1. Schränkt die Globalisierung die Souveränität der
nationalen
Regierungen in der Wirtschaftspolitik ein?
Schränkt die zunehmende Integration, insbesondere im Bereich der Finanzen, den
Gestaltungsspielraum der Regierungen in der Wirtschaftspolitik ein, indem die Entscheidungen
der Regierungen zum Beispiel im Bereich der Steuersätze und Steuersysteme oder ihr
Handlungsspielraum bei der Geld- oder Wechselkurspolitik begrenzt werden? Wenn man
davon
ausgeht, dass die Länder darauf abzielen, nachhaltiges Wachstum, niedrige Inflation und
sozialen Fortschritt zu erzielen, lassen die Erkenntnisse der letzten 50 Jahre darauf
schließen, dass die Globalisierung langfristig zu diesen Zielen beiträgt.
Wie wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, können kurzfristige volatile
Kapitalströme die makroökonomische Stabilität bedrohen. In einer Welt
integrierter Finanzmärkte wird es also immer gefährlicher für die
Länder,
Politiken zu verfolgen, die die Finanzstabilität nicht fördern. Diese Disziplin gilt
ebenfalls für den Privatsektor, in dem es schwieriger wird, Lohnerhöhungen und
Preisanhebungen durchzuführen, wenn dadurch das betroffene Land an
Wettbewerbsfähigkeit verliert.
Es gibt jedoch noch eine andere Art von Risiko. Manchmal beurteilen Investoren --
insbesondere kurzfristige Investoren -- die Aussichten eines Landes zu optimistisch, und die
Kapitalströme dauern an, selbst wenn die Wirtschaftspolitik zu locker geworden ist.
Dadurch läuft das Land die Gefahr eines abrupten massiven Kapitalabflusses, wenn die
Lagebeurteilung sich ändert.
Kurzum, die Globalisierung verringert die nationale Souveränität keineswegs.
Sie
schafft vielmehr starke Anreize für die Regierungen, eine solide Wirtschaftspolitik zu
betreiben. Sie sollte Anreize für den Privatsektor schaffen, Risiken sorgfältig
abzuwägen. Kurzfristige Kapitalströme können jedoch
übermäßig volatil sein.
Anstrengungen zur Erhöhung der Stabilität der internationalen
Kapitalströme sind wesentlich für die laufenden Arbeiten zur Stärkung der
internationalen Finanzarchitektur. In dieser Hinsicht wird manchmal die Sorge
geäußert, dass die Globalisierung zur Abschaffung von Regeln oder
Beschränkungen für Unternehmen führt. Das Gegenteil ist der Fall -- eines
der
wesentlichen Ziele der Arbeiten an der internationalen Finanzarchitektur ist die Entwicklung
von
Standards und Kodizes, die sich auf international anerkannte Grundsätze stützen,
die
in vielen unterschiedlichen nationalen Rahmenbedingungen umgesetzt werden
können. |
Die Krisen hätten sich ohne die Öffnung zu den globalen
Kapitalmärkten
natürlich nicht so entwickelt. Aber ohne diese Finanzströme hätten diese
Länder ihre beeindruckenden Wachstumsraten auch nicht erzielt.
Die Krisen waren komplex und ergaben sich aus dem Zusammenspiel von Mängeln
in
der nationalen Politik und im internationalen Finanzsystem. Die einzelnen Regierungen und die
Völkergemeinschaft als Ganzes unternehmen Schritte, um das Risiko solcher Krisen in
der
Zukunft zu verringern.
Auf der nationalen Ebene waren einige der Länder trotz beachtlicher
wirtschaftlicher
Erfolge nicht ausreichend vorbereitet, möglichen Schocks zu widerstehen, die durch die
internationalen Märkte entstehen können. Makroökonomische
Stabilität,
finanzielle Solidität, offene Volkswirtschaften, Transparenz und gute
Regierungsführung sind wesentlich für Länder, die an den
Weltmärkten
teilnehmen. Alle Länder wiesen in einem oder mehreren Aspekten Mängel
auf.
Auf der internationalen Ebene wurden mehrere wichtige Verteidigungslinien gegen Krisen
gebrochen. Die Investoren haben die Risiken nicht angemessen bewertet. Die Regulatoren und
Aufsichtsbehörden in den wichtigsten Finanzzentren haben die Entwicklungen nicht
genau
genug überwacht. Weiterhin standen über einige internationale Investoren,
insbesondere die Offshore-Finanzinstitutionen, nicht genügend Informationen zur
Verfügung. Das führte dazu, dass die Märkte anfällig für
,,Herdenverhalten" waren -- plötzliche Verschiebungen in der Einschätzung
der
Investoren und rasche Kapitalbewegungen, insbesondere kurzfristige Zuflüsse und
Abflüsse von Finanzströmen.
Die Völkergemeinschaft reagiert auf die weltweiten Dimensionen der Krise durch
ständige Bemühungen zur Stärkung der Architektur des internationalen
Währungs- und Finanzsystems. Das breite Ziel besteht darin, dass die Märkte
transparenter, gerechter und effizienter werden. Der IWF spielt eine Schlüsselrolle in
diesem Prozess, die in weiteren Informationsblättern behandelt wird.5
IX. Die Rolle der Institutionen und
Organisationen
Nationale und internationale Institutionen, die zwangsläufig durch kulturelle
Unterschiede beeinflusst werden, spielen eine wichtige Rolle im Prozess der Globalisierung.
Vielleicht ist es am besten, den Kommentar eines externen Beobachters über die Rolle
der
Institutionen zu zitieren:
,,...Die Tatsache, dass das Entstehen stark integrierter Güter- und
Finanzmärkte mit Handelsspannungen und Problemen im Bereich der
Finanzstabilität
einhergeht, sollte niemanden überraschen, ...... Die Überraschung besteht
vielmehr
darin, dass diese Probleme heute nicht noch schwerwiegender sind, wenn man bedenkt, dass
das
Ausmaß der Integration der Güter- und Finanzmärkte heute viel
größer ist."
,,Eine Möglichkeit, (diese Überraschung) zu erklären, ist die
stabilisierende
Rolle der in der Zwischenzeit geschaffenen Institutionen. Auf der nationalen Ebene bedeutet
dies
soziale und finanzielle Sicherheitsnetze. Auf der internationalen Ebene wären die WTO,
der
IWF und der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht zu nennen. Diese Institutionen sind
sicherlich nicht vollkommen, sie sind jedoch besser als gar nichts, wenn man die historische
Korrelation zwischen dem Ausmaß der Integration einerseits und dem Ausmaß
von
Handelskonflikten und Finanzinstabilität andererseits
berücksichtigt."6 (Klammer ergänzt)
X. Schlussfolgerung
Mit fortschreitender Globalisierung haben sich die Lebensbedingungen (insbesondere bei
Berücksichtigung breiter gefasster Indikatoren des Wohlergehens) in fast allen
Ländern beträchtlich verbessert. Die größten Erfolge wurden jedoch
von
den fortgeschrittenen Ländern erzielt, wobei nur einige Entwicklungsländer daran
teil
haben.
Die Tatsache, dass das Einkommensgefälle zwischen einkommensstarken und
einkommensschwachen Ländern gestiegen ist, ist Grund zur Sorge. Und die Zahl der
Menschen, die weltweit in erdrückender Armut leben, ist überaus beunruhigend.
Es
wäre jedoch falsch, die Schlussfolgerung zu ziehen, die Globalisierung habe diese
Ungleichheit verursacht oder dass nichts getan werden könne, um die Lage zu
verbessern.
Im Gegenteil: die einkommensschwachen Länder konnten sich nicht so schnell in die
Weltwirtschaft integrieren wie andere, teilweise auf Grund der von ihnen gewählten
Politiken und teilweise auf Grund von Faktoren außerhalb ihrer Kontrolle. Kein Land,
am
wenigsten die ärmsten, kann es sich leisten, sich von der Weltwirtschaft abzuschotten.
Jedes
Land sollte versuchen, die Armut zu verringern. Die Völkergemeinschaft sollte sich
bemühen, den ärmsten Ländern -- durch eine Stärkung des
internationalen Finanzsystems, durch Handel und durch Hilfe -- sich in die Weltwirtschaft zu
integrieren, schneller zu wachsen und die Armut zu verringern. Das ist der Weg, um
dafür
Sorge zu tragen, dass alle Menschen in allen Ländern Zugang zu den Vorteilen der
Globalisierung haben.
1Die Diskussion in diesem Abschnitt wird im World Economic Outlook,
Internationaler Währungsfonds, Washington D.C., Mai 2000, erweitert.
2Nicholas Crafts, Globalization and Growth in the
Twentieth Century, IMF Working Paper, WP/00/44, Washington DC, April 2000.
3Diese Themen werden im World Economic Outlook des IWF
vom
Mai 2000, Kapitel IV eingehender untersucht.
4Sie werden in den Informationsblättern ,,Die Armutsreduzierungs- und
Wachstumsfazilität (PRGF) -- Funktionsweise", and ",,Überblick: Umwandlung der
Erweiterten
Strukturanpassungsfazilität (ESAF) und der Schuldeninitiative für die
hochverschuldeten armen Länder (HIPCs),"; die unter der Internet-Adresse
www.imf.org. eingesehen werden können, beschrieben.
5Siehe ,,Progress in Strengthening the Architecture of the International
Monetary
System": http://www.imf.org/external/np/exr/facts/arcguide.htm
6Übersetzung des Zitats aus Bordo, Michael D., Barry Eichengreen und
Douglas A. Irwin, Is Globalization Today Really Different than Globalization a Hundred
Years
Ago? Working Paper 7195, National Bureau of Economic Research, Cambridge, MA, Juni
1999.
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