Deutschland: Abschlusserklärung der Artikel-IV-Mission 2024

30. Mai 2024

In der Abschlusserklärung („Concluding Statement“) werden die vorläufigen Ergebnisse nach Abschluss eines offiziellen Besuchs (bzw. einer „Mission“) des IWF, meistens in einem Mitgliedsland, dargelegt. Die Missionen werden im Rahmen regelmäßiger (in der Regel jährlich stattfindender) Konsultationen nach Artikel IV des IWF-Übereinkommens im Zusammenhang mit einem Antrag auf Inanspruchnahme von IWF-Mitteln (Kreditaufnahme beim IWF), im Rahmen von Gesprächen über stabsüberwachte Programme oder im Rahmen der Überwachung von wirtschaftlichen Entwicklungen durch einen IWF-Stab durchgeführt. 

Die Behörden haben der Veröffentlichung dieser Erklärung zugestimmt. Die in dieser Erklärung geäußerten Ansichten entsprechen dem Standpunkt des IWF-Stabs und geben nicht notwendigerweise den Standpunkt des IWF-Exekutivdirektoriums wieder. Auf der Grundlage der vorläufigen Ergebnisse dieser Mission wird der IWF-Stab einen Bericht erstellen, der vorbehaltlich der Genehmigung durch die Geschäftsleitung dem IWF-Exekutivdirektorium zur Erörterung und Beschlussfassung vorgelegt wird.

 

Washington, DC, Eine Mission des Internationalen Währungsfonds (IWF) bestehend aus Kevin Fletcher (Leitung), Mustafa Saiyid und Galen Sher hat vom 15. bis zum 28. Mai 2024 im Rahmen der Artikel-IV-Konsultationen 2024 Gespräche mit Deuschland geführt. Nach Abschluss des Besuchs gab die Mission folgende Erklärung ab:

Angesichts des anhaltenden Rückgangs der Inflation, dürfte die deutsche Wirtschaft dieses Jahr eine schrittweise konsumgetriebene Erholung verzeichnen. Nach vier Jahren Krisenmanagement als Reaktion auf die Pandemie und den russischen Gaslieferstopp verlagert sich der Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik entsprechend auf mittelfristige Herausforderungen. In diesem Zusammenhang könnten die mittelfristigen Wachstumsaussichten durch folgende Maßnahmen gestärkt werden: eine weitere Aufstockung öffentlicher Investitionen, u. a. in die Energiewende und die Digitalisierung; einen Ausgleich für den altersbedingten Rückgang der Erwerbsbevölkerung, u. a. durch ein verbessertes Kinderbetreuungsangebot und den Abbau sonstiger Hindernisse für eine Vollzeittätigkeit; eine Verbesserung des Finanzierungsumfelds für Start-ups und Innovation; Abbau von Bürokratie und eine Vertiefung der wirtschaftlichen Integration in Europa. Zur Begrenzung von Risiken ist auch die Fortführung einer umsichtigen Politik im Finanzsektor entscheidend.

Jüngste Wirtschaftsentwicklungen und Ausblick

  1. Die deutsche Wirtschaft erholt sich allmählich von mehreren großen Schocks. Die durch den russischen Gaslieferstopp ausgelösten hohen Energiepreise trugen 2022–23 zum Anstieg der Inflation bei, was wiederum Druck auf den privaten Konsum und die Wirtschaftstätigkeit ausübte. Die Auswirkungen dieser Schocks wurden jedoch größtenteils durch eine energische politische Reaktion abgemildert. So stellten die Behörden insbesondere Sozialleistungen bereit, um die Folgen höherer Energiepreise abzufedern, und hielten gleichzeitig Preissignale aufrecht, um Unternehmen und private Haushalte zum Energiesparen zu animieren. Solche Schutzvorkehrungen und die Bemühungen, Zugang zu neuen Energiequellen zu sichern, trugen dazu bei, die Großhandelsgaspreise wieder auf normalere Niveaus zu drücken. Im Gegenzug lösten niedrigere Energiepreise im Zusammenspiel mit der geldpolitischen Straffung eine rapide Disinflation aus. Jetzt steigen die Reallöhne, und die Wirtschaft ist im ersten Quartal 2024 gewachsen. 
  2. Mit dem weiteren Rückgang der Inflation dürfte sich die allmähliche Erholung in diesem Jahr fortsetzen.
  • Auch 2024 ist mit einem weiteren Rückgang der Inflation zu rechnen. Zum einen aufgrund der verhaltenen Nachfrage und zum anderen, weil geringere Importpreise für Energie und Lebensmittel sich weiter auf die Einzelhandelspreise durchschlagen. Auch die Kerninflation dürfte an Tempo verlieren, aber über der Gesamtinflation verharren, denn Dienstleistungspreise reagieren weiterhin sensibel auf robustes Lohnwachstum.
  • Mit weiter steigenden Reallöhnen dürften höhere private Konsumausgaben 2024 für eine moderate und allmähliche Erholung sorgen, wobei das reale BIP um rund 0,2 Prozent zulegen dürfte, auch gestützt durch die Auslandsnachfrage. Eine Rückkehr zum Wachstum sollte eine allmähliche Stärkung des Vertrauens nach sich ziehen, was den Verbrauch 2025 weiter ankurbeln sollte. Auch bei den privaten Investitionen ist 2025 aufgrund der erhöhten Nachfrage und der moderaten geldpolitischen Lockerung im Zeitraum 2024–25 mit einer Erholung zu rechnen. Als Folge wird erwartet, dass sich das BIP-Wachstum 2025–26 auf 1 bis 1,5 Prozent beschleunigt.
  1. Mittelfristig ist davon auszugehen, dass die schnelle Bevölkerungsalterung das Wirtschaftswachstum bremst und die öffentlichen Finanzen belastet. Weil die Baby-Boomer in Rente gehen und die jüngsten Zuwanderungswellen nachlassen, dürfte in Deutschland die jährliche Wachstumsrate der Erwerbsbevölkerung um rund 0,7 Prozentpunkte zurückgehen – mehr als in jedem anderen G7-Land. Angesichts dieser ungünstigen demografischen Entwicklungen ist damit zu rechnen, dass sich das jährliche Wirtschaftswachstum mittelfristig auf rund 0,7 Prozent verlangsamt. Eine alternde Bevölkerung wird sich auch negativ auf die öffentlichen Finanzen auswirken, weil sich das Wachstum der Steuereinnahmen verlangsamt und die Ausgaben für Renten und das Gesundheitswesen steigen.
  2. Die Risiken für den Wirtschaftsausblick sind weitgehend ausgewogen. Zu den Aufwärtsrisiken zählt die Möglichkeit, dass durch positive Meldungen und weniger Unsicherheit eine Erholung beim Konsum und den Investitionen schneller als erwartet in Gang gesetzt wird. Die wichtigsten Abwärtsrisiken sind das Potenzial für eine beschleunigte geoökonomische Fragmentierung, eine Verschlimmerung globaler Konflikte und eine Verschärfung der Spannungen an den internationalen Märkten für Gewerbeimmobilien (Commercial Real Estate, CRE). Unsicherheit über den Grad der Preisstarrheit birgt ebenfalls Risiken in beide Richtungen in Bezug auf das Tempo der Disinflation. Auch das mittelfristige Wachstum könnte höher oder niedriger als erwartet ausfallen, wenn die tatsächliche Zuwanderung erheblich von den im Basisszenario zugrunde gelegten Annahmen abweicht.

Fiskalpolitik

  1. Der fiskalpolitische Kurs dürfte 2024 restriktiver werden, wie es zur Einhaltung der Schuldenbremse erforderlich ist. Es wird erwartet, dass der konjunkturbereinigte Primärsaldo um mehr als 1 Prozentpunkt des BIP schrumpft, getrieben durch das Auslaufen der Strompreisbremse. Der Wegfall der Entlastungen wird durch tiefere Energiepreise als vor der Strompreisbremse aufgefangen, sodass die Nettoauswirkungen auf die Wirtschaftsaktivität gering ausfallen dürften. Die Schuldenbremse wird ebenfalls in konjunkturbereinigten Werten angegeben, was eine gewisse antizyklische Flexibilität als Reaktion auf die bescheidenen Wachstumsaussichten für 2024 verschafft. Angesichts der schwachen Inlandsnachfrage sollte die Regierung diese Flexibilität wie geplant vollumfänglich nutzen, unter anderem indem sie die Mittel für öffentliche Investitionen vollständig ausschöpft.
  2. Mittelfristig sieht sich Deutschland mit steigendem Ausgabendruck konfrontiert. Neben den durch die Bevölkerungsalterung (3) bedingten Zusatzausgaben steht Deutschland auch unter dem Druck, seine Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Und obwohl die öffentlichen Investitionen in den letzten Jahren gestiegen sind, besteht ein großer Investitionsbedarf, wobei erheblich mehr Investitionen erforderlich sind, um die Infrastruktur im Verkehrs-, Energie-, Kommunikations- und anderen kritischen Sektoren zu modernisieren.
  3. Zur Deckung des steigenden Ausgabenbedarfs sollten die Behörden eine moderate Lockerung der Schuldenbremse in Betracht ziehen. Mithilfe einer gut durchdachten Haushaltsregel wird sichergestellt, dass die Verschuldung tragfähig bleibt. Allerdings ist Deutschlands Schuldenbremse relativ eng gefasst, sodass die jährliche Obergrenze für die Nettokreditaufnahme um rund 1 Prozentpunkt des BIP gelockert werden könnte, ohne dass der rückläufige Trend der Schuldenquote unterbrochen würde. Eine solche Lockerung würde mehr Spielraum für dringend benötigte öffentliche Investitionen und andere wichtige Prioritäten schaffen. Während die Einführung des neuen Fiskalrahmens der EU noch anhält, deuten erste Anzeichen daraufhin, dass sich Deutschland angesichts der Notwendigkeit, finanzpolitischen Spielraum für öffentliche Investitionen zu schaffen, vorzugsweise für den gestreckten Anpassungspfad über 7 Jahre statt für den standardmäßigen Vierjahreszeitraum entscheiden sollte.
  4. Reformen zur Verringerung des mittelfristigen Ausgabendrucks und/oder zur Erhöhung der Einnahmen sind ebenfalls nötig.
  • Die Anpassung der Schuldenbremse wie oben vorgeschlagen würde den Druck auf die Haushaltskonsolidierung zwar verringern, ihm aber nicht vollständig entgegenwirken. Deshalb sind auch mittelfristige Fiskalpläne und Reformen zur Schaffung von fiskalischem Spielraum notwendig, um diesem Druck zu begegnen und politische Unsicherheit zu reduzieren.
  • Möglichkeiten, die ausgelotet werden könnten, sind u. a. der Abbau umweltschädlicher Subventionen und Steuervergünstigungen, mehr Effizienz bei den öffentlichen Gesundheitsausgaben, die Anhebung von Steuern auf Immobilien und Güter und Dienstleistungen (denn Deutschlands Steuereinnahmen aus diesen Quellen liegen unter dem Durchschnitt der Industrieländer) und/oder das Schließen von Schlupflöchern im Erbschaftssteuerrecht.
  • Reformen des Sozialversicherungssystems könnten den öffentlichen Haushalt ebenfalls deutlich entlasten und gleichzeitig für eine solidere Finanzierung des Systems sorgen. Beitragssätze für die Renten-, Gesundheits- und langfristige Pflegeversicherung dürften in den kommenden Jahren steigen, denn die Rücklagen sind aufgebraucht, und die voraussichtlichen Ausgaben wachsen schneller als die voraussichtlichen Einnahmen. Dies könnte die Verzerrungen an den Arbeitsmärkten verstärken. Leistungen könnten ebenfalls zurückgehen, was das Sicherheitsnetz für ältere Personen beeinträchtigen könnte. Mögliche Reformen zur Abmilderung dieser Folgen sind die Anpassung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung und die Indexierung von Rentenzahlungen an die Inflation statt an die Löhne. Reformen, die zusätzliche Anreize zur Verlängerung des Erwerbslebens schaffen, würden auch dazu beitragen, die mit der Bevölkerungsalterung verbundenen negativen Folgen für das Wirschaftswachstum abzuschwächen.

Finanzsektorpolitik

  1. Deutschlands Banken und Versicherungen haben ihr Gesamtkapital und ihre Liquiditätslage weiter gestärkt. Durch die höheren Zinsen konnten die Banken 2023 ihre Zinsmargen und ihre Profitabilität steigern. Durch die makroprudenziellen Maßnahmen der nationalen Behörden wurden in den letzten Jahren auch die Kapitalpuffer gestärkt. Insgesamt wiesen die Banken im 4. Quartal 2023 eine harte Kernkapitalquote (CET1) von 17,0 Prozent und eine Liquidity Coverage Ratio von 157 Prozent für bedeutende Institute und von 185 Prozent für weniger bedeutende Institute aus. Der Median der Solvenzkapitalquote für den gesamten Versicherungssektor ist mit 330 Prozent ebenfalls beachtlich.
  2. Gleichwohl wird erwartet, dass die Profitabilität der Banken künftig etwas nachlassen wird, und CRE-Risiken sind hoch. Die Profitabilität dürfte zurückgehen, denn steigende Finanzierungskosten beim Einlagengeschäft schmälern die Nettozinsmargen. Außerdem steigen die Verluste aus dem Kreditgeschäfte von historisch tiefen Niveaus, wobei die Verluste insbesondere im CRE-Sektor zunehmen, der durch die Straffung der Geldpolitik und durch strukturelle Veränderungen der Nachfrage nach Büroflächen in der Stadt und physische Ladenlokale in Mitleidenschaft gezogen wurde.
  3. Vor diesem Hintergrund ist die Fortführung einer umsichtigen Finanzmarktpolitik zur Eindämmung der Risiken angezeigt.
  • Auf kurze Sicht sollten die Behörden die mit CRE verbundenen Risiken der Finanzinstitute weiterhin genau beobachten; sie sollten sicherstellen, dass ausgewiesene Immobilienbewertungen aktuell bleiben, auf zurückhaltende Gewinnausschüttungen drängen und finanzielle Sicherheitsvorkehrungen weiterhin prüfen und testen. Insbesondere bei Banken sollten die Behörden Bemühungen unterstützen, die darauf abzielen, die Fähigkeit der Kreditnehmer zur Bedienung ihrer Kredite zu erhalten, beispielsweise durch Laufzeitverlängerungen für solvente Kreditnehmer. Gleichzeitig sollten sie verlangen, dass abgeänderte Kredite angemessen klassifiziert und hinreichende Rückstellungen für künftige Kreditverluste gebildet werden. Die Behörden könnten auch in Erwägung ziehen, die Umnutzung von CRE zu erleichtern, beispielsweise durch Lockerung von Bebauungsvorschriften bei der Umwandlung in Wohnraum. Darüber hinaus sollten die Behörden bestehende makroprudenzielle Puffer bewahren, Lücken in der Datenerhebung zu den Kreditvergabestandards für CRE-Kredite schließen und Gesetze verabschieden, um das makroprudenzielle Instrumentarium um Maßnahmen für Wohnimmobilienhypotheken zu ergänzen, die einkommensabhängig und kreditnehmerbasiert sind.
  • Auf mittlere Sicht sollten die Behörden eine positive Quote für den antizyklischen Kapitalpuffer in normalen Zeiten in Erwägung ziehen, dann stünde Kapital zur Verfügung, das freigegeben werden könnte, wenn auf eine neutrale Phase ein Abschwung folgt. Darüber hinaus würde eine einheitliche Einlagensicherung mit einer öffentlichen Liquiditätshilfe die Schutzmechanismen des Systems bei Liquiditätsrisiken stärken.
  1. Durch weitere Bemühungen zur Verbesserung der Profitabilität des Bankensektors würde auch die Stabilität des Finanzsektors gestärkt. Erste Kosteneinsparungen könnten durch eine höhere Digitalisierung und Automatisierung von Bankendienstleistungen erreicht werden, weil weniger physische Geschäftsstellen notwendig sind. Weitere Kosteneinsparungen könnten aus Skaleneffekten resultieren, die durch die Konsolidierung kleiner Banken erzielt werden. Im Inland findet diese Konsolidierung bereits schrittweise statt, könnte aber grenzüberschreitend durch weitere Fortschritte hin zu einer gemeinsamen Bankenunion in Europa beschleunigt werden.

Strukturreformen

  1. Jüngste Reformen zur Verbesserung von Anreizen für Innovation und Investitionen in Deutschland sind begrüßenswert. Durch die Ausweitung des Steuerabzugs für Forschung und Entwicklung im Wachstumschancengesetz wird Innovation gefördert. Reformen im Rahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes, u. a. die Lockerung von Mindestanforderungen für Börsengänge und die Zulassung von Doppelklassen-Aktien, werden die Gründung von Start-ups ankurbeln, weil es für Unternehmer einfacher wird, Gewinne zu erwirtschaften, wenn ihr Unternehmen erfolgreich ist, während sie gleichzeitig ein gewisses Maß an Kontrolle über die Führung des Unternehmens behalten. Die jüngste Einrichtung des Wachstumsfonds Deutschland wird zusätzliche Finanzierungen für Start-ups mobilisieren, sowohl durch öffentliche Mittel als auch durch De-Risking dieser Investitionen für private Investoren.
  2. Zur weiteren Stärkung der Produktivität und des Unternehmertums sollte die Regierung ihre Anstrengungen zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Digitalisierung intensivieren. Unnötige Bürokratie stellt nach wie vor ein großes Hindernis für Produktivität dar. Laut den Enterprise Surveys der Weltbank dauert es beispielsweise in Deutschland deutlich länger, eine Betriebserlaubnis für ein Unternehmen zu erhalten, als in anderen Industrieländern. Diese Verzögerungen sind wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass viele Behördendienste online nicht verfügbar sind. Grundsätzlich hinkt Deutschland anderen EU-Ländern bei der Bereitstellung von Online-Diensten für Unternehmen hinterher – u. a. bei Themen wie Registrierung oder Steuererklärungen – und beim automatischen Ausfüllen von Online-Formularen. In diesem Zusammenhang wird eine zügige Umsetzung von E-Government-Plänen einschließlich des Onlinezugangsgesetzes 2.0 eine wichtige Rolle spielen. Auch wenn große Fortschritte bei der Digitalisierung (namentlich beim 5G-Mobilfunknetz, das jetzt 95 Prozent der Haushalte abdeckt) gemacht wurden, ist ein weiterer Ausbau des Glasfasernetzes notwendig, das zurzeit weniger als ein Drittel der Haushalte abdeckt.
  3. Die Vertiefung des europäischen Binnenmarkts und der Kapitalmarktunion ist auch entscheidend, um Deutschlands Wachstumsaussichten zu verbessern. Weitere Anstrengungen sind nötig, um die Bereitstellung grenzüberschreitender Dienste zu erleichtern, die Qualifikationen in allen Mitgliedsländern anzuerkennen und Rechnungslegungs-, Steuer- und Insolvenzregelungen u. a. zu vereinheitlichen. Mit einer solchen tieferen Integration wäre es für Deutschland und andere EU-Mitgliedsländer möglich, Skaleneffekte und Vorteile aus dem Handel und der Spezialisierung innerhalb der EU besser zu nutzen, den Wettbewerb zu fördern, Kosten zu senken, die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit zu verbessern und Produktivität und Wachstum zu stärken. Durch stärker integrierte Kapitalmärkte in Europa würden mehr Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen, darunter innovative Start-ups, entstehen.
  4. Zur Stabilisierung des Arbeitsangebots sollten die Behörden die Beschränkungen für die Arbeitszeit von Frauen lockern und die hohen effektiven Grenzsteuersätze für einige Teilzeitbeschäftigte senken.
  • Die Erwerbsbeteiligung von Frauen hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich verbessert, obwohl es immer noch 2 Millionen weniger erwerbstätige Frauen als Männer gibt. Darüber hinaus arbeiten viermal so viele Frauen wie Männer in Teilzeit. Die Behörden sollten Hindernisse beseitigen, die Frauen, die mehr arbeiten möchten, davon abhalten. Das heißt, der Zugang zu ganztägiger Betreuung von Kindern und älteren Menschen sollte ausgebaut und die Zuverlässigkeit des Angebots verbessert werden. Darüber hinaus könnten Möglichkeiten zur Senkung der effektiven Grenzsteuersätze bei verheirateten Doppelverdiener-Paaren ausgelotet werden.
  • Einige Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen sind mit hohen effektiven Grenzsteuersätzen auf zusätzliches Einkommen konfrontiert, weil (i) die staatlichen Sozialleistungen gekürzt werden, wenn ihr Einkommen steigt, und/oder (ii) wenn das Einkommen von Zweitverdienern in Minijobs die Minijob-Schwelle (derzeit 538 €/Monat) übersteigt. Eine Senkung dieser hohen effektiven Grenzsteuersätze könnte die Anreize für Teilzeitbeschäftigte verbessern, ihre Arbeitszeit zu verlängern.

Derartige Anstrengungen zur Steigerung der Erwerbsbeteiligung und der Arbeitszeit könnten das Wachstumspotenzial der Wirtschaft deutlich erhöhen, ebenso wie die laufenden Bemühungen zur Verbesserung der Qualifikationen der Arbeitnehmer und zur Erleichterung der Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt.

  1. Anhaltende Bemühungen sind notwendig, damit Deutschland seine ehrgeizigen Klimaschutzziele erreicht. Die jüngsten Projektionen der Behörden deuten darauf hin, dass Deutschland zum ersten Mal auf Kurs ist, mit den bereits umgesetzten Maßnahmen seine Emissionsreduktionsziele für 2030 (allerdings nicht für 2045) zu erreichen. Diese Projektionen gehen allerdings davon aus, dass der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung weiter zunimmt, von 7 Prozent jährlichem Wachstum in den letzten zehn Jahren auf 11 Prozent Wachstum im Zeitraum 2024–30. Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Behörden Maßnahmen ergriffen, die Genehmigungsprozesse für Solarprojekte und Onshore-Windparks zu verschlanken, und haben die Subventionen für Solarstrom erhöht. Weitere Anstrengungen in diesem Sinne würden dazu beitragen, die Klimaziele zu erreichen – einschließlich Maßnahmen zur Stärkung der kommunalen Planungskapazitäten, zur Begrenzung von Fristverlängerungen und zur Digitalisierung von Genehmigungsverfahren mit einheitlichen Ansprechpartnern – ebenso wie beschleunigte Dekarbonisierungsbemühungen im Gebäude- und Verkehrssektor.

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Die Mission dankt den Behörden und allen unseren Geschäftspartnern für die herzliche Gastfreundschaft und den konstuktiven Dialog.

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